Schon wieder ist es der ungewöhnliche Name, der mich auf diesen interessanten Autor aufmerksam gemacht hat. Kein großer Autor, kein bedeutender Autor, aber viel zu interessant, um vergessen zu bleiben, denn vergessen ist er leider fast ganz. Man erinnert sich seiner eigentlich nur noch als einen der Serapionsbrüder um E.T.A. Hoffmann.
Entsprechend spärlich sind die Quellen zu seinem Leben. Der Wikipedia-Artikel ist fast schon winzig und die Allgemeine Deutsche Biographie gibt noch weniger her, verweist aber auf das Vorwort der Gesammelten Schriften, herausgegeben von Contessas Freund aus Jugendtagen, Ernst von Houwald, ebenfalls Schriftsteller und Dramatiker. Hier schreibt der Freund über den erst ein Jahr zuvor verstorbenen Freund. Ich könnte das jetzt zusammenfassen, aber mich berührt die Freundschaft und Liebe, die einem aus den Zeilen entgegen weht so sehr, dass ich Houwald leicht gekürzt selbst zu Wort kommen lassen möchte.
[…] Was von ihm bereits durch den Druck bekannt geworden ist, hat diesem Verfasser die allgemeine Achtung erworben, so daß man dem Namen Contessa einen ehrenvollen Rang unter den Schriftstellern Deutschlands angewiesen hat. Seine dramatischen Dichtungen werden fortwährend und gern auf den Bühnen gesehen, und wegen der geistreichen und fleißigen Behandlung ihres Stoffes, und wegen der überraschenden Wahrheit der Charaktere zu den besten deutschen Lustspielen gezählt. Seine Novellen, reich an Humor, wie an Tiefe des Gefühls, hat man wegen ihrer lebendigen, oft großartigen und dennoch einfachen Darstellung; und wegen der reinen prunklosen gediegenen Sprache als Muster aufgestellt; man hat den Verfasser stets zu den wenigen gezählt, die mit einfachen und gering scheinenden Mitteln bedeutende Wirkungen hervorzubringen wußten, und in ihm deshalb einen Dichter geehrt, der im ruhigen Gefühl seiner Geisteskraft und Sicherheit alle die gewöhnlichen Hülfsmittel, ein schnelles Aufsehen zu erregen, verschmähte, und der immer nur dasjenige anspruchslos darstellen mochte wozu ihn sein Genius aufforderte.
Ein solcher Dichter darf nicht untergehen, ihn wird sein Vaterland nicht vergessen wollen! Es hat vielmehr ein Recht zu der Forderung, daß diejenigen, welche dem Vollendeten am nächsten gestanden, seine geistigen Verlassenschaften nunmehr dem Volke, dem er angehörte, als ein rechtmäßiges Erbe desselben ausantworten sollen. Diesem Gefühle, dieser Überzeugung bin ich gefolgt; ich habe die sämmtlichen Schriften meines Freundes aus diesem Nachlasse gesammelt, sie nach der Zeit ihrer Entstehung geordnet, und so eine heilige Pflicht erfüllt.
Früher gedachte ich, auch seine Lebensbeschreibung diesen Werken anzufügen, sie sollte aus der Feder eines seiner im nächsten Freunde, des Biographen von Callot-Hoffmann und Zacharias Werner fließen, der ihm bis zum letzten Augenblicke mit am nächsten gestanden hat, und deshalb auch willig die Hand dazu bot. – Als wir jedoch die wenigen Materialien hierzu gemeinschaftlich zusammengestellt hatten, und die erste Skitze seines Lebensbildes vor uns stand, wurde es uns bald klar, dass es sich zur weiteren Ausführung und öffentlichen Mittheilung nicht eigne, weil es trotz der reichen Ausstattung, welche Contessa von der Natur erhalten, trotz seiner seltnen Geistesbildung, seiner anspruchslosen Liebenswürdigkeit im Umgang, seines durchaus edlen Sinnes, dennoch nur die Züge eines äußerlich unbedeutenden, an interessanten Ereignissen armen, durch Verstimmung und Kränklichkeit vielfältig getrübten, ja wohl verfehlten Lebens geben würde. Ich habe es daher vorgezogen, bloß ein treues Bild des Dichters mit dem sehr gelungenen Kupferstiche, und, als seine vollständigste Charakteristik, seine Schriften selbst dem Publikum zu übergeben. Nur folgende kurze Nachrichten über ihn mögen hier noch Platz finden:
Carl Wilhelm Salice Contessa wurde zu Hirschberg in Schlesien, wo sein Vater ein reicher angesehener Kaufmann war, am 19. August 1777 geboren. Nach dem Tode des Vaters bezog er im Jahre 1794 das Pädagogium zu Halle und ging als einer der ausgezeichnesten Zöglinge desselben im Jahre 1798 auf die Universität nach Erlangen. [Studium der Rechtswissenschaften] Nach einem Aufenthalte von einem Jahre hier kehrte er von dort nach Halle zurück, reiste dann im Winter 1800 auf einige Monate nach Paris, und begab sich im Sommer 1802, nachdem er sich in Halle mit Johanna Jahn verheiratet hatte, nach Weimar, um dort als Privatmann zu leben. Der Tod trennte diese Ehe bald, die Mutter starb mit ihrem Kinde im ersten Wochenbette. Contessa ging hierauf im Jahre 1805 nach Berlin, und ließ hier, im Verein mit seinem ältern Bruder, zuerst einige seiner Dichtungen im Druck erscheinen. Im Jahre 1808 verheiratete er sich zum zweiten Male mit Henriette Nauendorf, von welcher ihm sein jetzt noch lebender Sohn geboren wurde. Auch in Berlin führte Contessa ein höchst eingezogenes nur von wenigen gekanntes Privatleben. Eine öffentliche Anstellung hat er nie gesucht, er widmete seine Zeit abwechselnd einigen literarischen Arbeiten, oder selbstgewählten oft veränderten wissenschaftlichen Studien, als alter und neuer Literatur, Mineralogie, Geschichte u.s.w. oder künstlerischen Beschäftigungen, als Musik und Malerei. Im Jahre 1816 starb ihm auch die zweite Gattin, worauf er Berlin verließ, und nunmehr den Aufenthalt in meinem Hause wählte, um seinen sechsjährigen Sohn mit meinen Kindern erziehen zu lassen. Seit jener Zeit genoss ich nun das seltne Glück meinen ältesten vertrautesten Freund völlig als ein Mitglied meiner Familie betrachten und mit ihm alles was das Leben giebt, selbst jeden Gedanken teilen zu können; bis er sich im Herbst des Jahres 1824, seines bedenklichen Gesundheitszustands wegen, auf einige Monate nach Berlin zu wenden beschloss, wo er Heilung zu finden hoffte. […] und starb dort am 2. Juni 1825. Auf dem St. Hedwigs Kirchhofe in Berlin […] bezeichnen folgende Worte auf einem einfachen Denkmal seine Grabstätte:
Hier ruht Karl Wilhelm Salice Contessa,geboren zu Hirschberg in Schlesien, am 19. August 1777,gestorben zu Berlin, am 2. Juni 1825.
Als Freund den Freunden, als Mensch allen, die in kannten, als Dichter dem ganzen Deutschland teuer und unvergesslich!
Endlich muss ich noch erwähnen, daß mir die Achtung und Liebe, in welcher der Verstorbene allgemeinen stand, aufs neue wieder recht offenbar geworden ist, während ich seine Schriften sammelte; denn man hat mir nicht allein zu dem vollständigen Gelingen dieses Unternehmens allenthalben bereitwillig die Hand geboten, sondern auch die frühern Verleger von Contessas einzelnen Schriften, und namentlich sein erster Verleger, Herr Buchhändler Reimer in Berlin, und die Herren Buchhändler Dümmler in Berlin und Arnold in Dresden haben zu Gunsten des Sohnes, für dessen Vorteil die Schriften des Vaters hier in einer Gesammtausgabe erscheinen, auf alle Ansprüche freiwillig verzichtet, die ihre frühern Verlagsrechte ihnen gesetzlich hierauf gewähren könnten. –
Die Oper: Der Liebhaber nach dem Tode! hatte Contessa eigentlich für seinen Freund Callot-Hoffmann gedichtet, der, nachdem ihm Fouque’s Undine gelungen war, nun auch eine Dichtung von Contessa komponieren wollte. Er [Hoffmann] wurde jedoch hierbei vom Tode überrascht. […]
Neuhaus bei Lübben in der Niederlausitz,
den 1. März 1826.
Ernst von Houwald
(Quelle: Scann bei archive.org https://archive.org/details/cwcontessasschr01contgoog)
Bekannt war Contessa wohl vor allem wegen seiner Lustspiele, die auch den größten Teil seines Werkes ausmachen. Interessanter aus heutiger Sicht sind seine Novellen und Märchen. Die Novellen erinnern sehr an Hoffmann, sind handwerklich sorgfältiger aber nicht ganz so inspiriert wie die des berühmten Freundes. Seine Märchen sind etwas ganz besonderes, selbst in dieser an Märchensammlern und Märchenerzählern so reichen Epoche. Sie erinnern mich irgendwie an Tolkien, obwohl mehr als 100 Jahre zwischen den beiden liegen, vielleicht, weil sich beide ganz bewusst von einer reichen Tradition zu etwas ganz Neuem und Eigenständigen inspirieren ließen und dabei mit einer nicht zu überhörenden Spielfreude ans Werk gingen.
Trotzdem Contessas Lustspiele sehr beliebt waren, konnte er von seiner schriftstellerischen Arbeit allein nicht leben und war auf die Unterstützung seines Bruders Christian Jakob Salice-Contessa angewiesen, der nicht nur Großkaufmann und Kommunalpolitiker sondern auch Schriftstellen war.
In der Berliner Zeit sollen Contessa, Hoffmann und de la Motte Fouqué einmal in einem Biergarten im Tiergarten beobachtet haben, wie einem jungen Fräulein, das mit seiner Familie in diesem Lokal war, ein Billet zugesteckt wurde. Das Mädchen las das Billet in einem unbeobachteten Moment und eine Träne ran über seine Wange. Die drei malten sich aus, was für eine Geschichte wohl hinter dieser Szene stecken mochte und verabredeten, dass jeder eine Erzählung darüber verfassen solle. Hoffmann schrieb darauf Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde und Contessa Die Schatzgräber.
Die Schatzgräber, Das Gastmal und Das Schwert und die Schlagen gibt es als Hörbuch bei LibriVox.
Das gesamte erzählerische Werk könnt Ihr teils als für den eReader aufbereitete Scanns, teils als epub bei Archive.org herunterladen.
Wer E.T.A. Hoffmann mag, wird auch von Contessa nicht enttäuscht werden.