Heinrich Zschokke 1771-1848

Zschokke? Nie gehört. Wie spricht man das eigentlich? Zsch… Zscho… Zschokke?

Ich bin ja immer auf der Suche nach interessanten Texten für die Sammlung kurzer deutscher Prosa bei LibriVox, oder kurz Prosa-Sammlung, und eine gute Möglichkeit ist die Suche nach „Erzählungen“. Die sind häufig nicht ganz so lang. 8000 Wörter macht vorgelesen immerhin schon ungefähr eine Stunde und viel länger sollten die Beiträge zur Prosa-Sammlung auch nicht sein. Also habe ich mir eines Tages mal angesehen, was es unter dem Stichwort Erzählung bei Zeno.org so gibt. So bin ich auf diesen ungewöhnlichen Nachnamen gestoßen und auf die erste von Zschokkes Erzählungen, die ich je gelesen habe: Das Abenteuer der Neujahrsnacht.

Ich fand sie ganz nett, unterhaltsam, aber nicht wirklich umwerfend. Es geht dabei um einen Rollentausch, zwischen einem Prinzen und einem armen Burschen, die sich (so ein Zufall!) zum verwechseln ähnlich sehen. Solch ein Szenario haben uns inzwischen schon viele Autoren und Filmemacher vorgesetzt. Meistens ist es ja der Prinz, der bei der Geschichte richtig ins Schwitzen kommt, geläutert wird und am Ende ein besserer Mensch und König wird. Nicht so bei Zschokke. Da kommt der arme redlich Bursche von einer Zwickmühle in die andere und ist am Ende herzlich froh, dass er des Prinzen Rock wieder mit seinem eigenen zerschlissenen Wams eintauschen darf.

Nicht berauschend, doch meine Neugier war geweckt. Wer war dieser Zschokke den nun eigentlich?

1771 geboren in Magdeburg als Sohn eines Tuchmachermeisters. Er besuchte das Gymnasium und war danach erst einmal für 2 Jahre Dichter bei einer Wandertheatertruppe. „Ich stutzte heroischen Tragoedien die Schleppe des Talars kürzer, gab altväterischen Dramen modigern (sic) Schnitt, setzte in abgebrauchte Stücke neue Flicken, wie es eben das Bedürfniß des Theaterpersonals forderte, schrieb selber ein Paar Saus- und Grausstücke, reimte Prologen und Epilogen und wechselte mit wohllöblichen Magistraten kleiner Städte Briefe, ihnen zur Geschmacksveredlung ihrer Bürgerschaft unsere musterhaften Darstellungen zu empfehlen“ (Zitat Zschokke)

Nach dem die Truppe sich aufgelöst hatte, studierte Zschokke 1790-1792 an der Universität Frankfurt (Oder) Theologie und Philosophie. Nach der Promotion (damals ging das noch so schnell) war er drei Jahre Privatdozent für Philosophie und wurde Freimaurer. Und er schrieb! Erzählungen zunächst zur Unterhaltung eines ausgesuchten Freundeskreises, der Chokoladenbrüder, weil sie sich aus studentischen Trinkgelagen nichts machten, dann Theaterstücke. Abelino z.B., „der, bald darauf gedruckt, mit Geräusch über die meisten Bühnen Deutschlands gieng“ (Zitat Zschokke) Die Zschokkebibliothek in Aarau besitzt ein Bühnenexemplar, in das Fleck und Iffland Rollen-Anmerkungen eingetragen hatten. Beide waren berühmte Schauspieler dieser Zeit. Schiller sah am 2. Januar 1791 eine Aufführung des Stückes in Erfurt.

1795-1796 machte Zschokke eine Bildungsreise durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz. Die Schweiz sollte sein Schicksal werden. Er ließ sich dort nieder, wurde Leiter einer Erziehungsanstalt und arbeitete an der Verbesserung des Schulwesens. Das kann nicht ganz einfach gewesen sein und er machte seine Sache mehr als gut, denn: „Es wurde ihm sogar eine Ehre zu Theil, welche im Laufe eines Jahrhunderts nur einem einzigen gewährt wurde. Die Räthe und Gemeinden Raetiens schenkten ihm das Staatsbürgerrecht.“ (ADB, siehe Quellen)

Ich gestehe, ich bin in der Geschichte der Schweiz so gar nicht bewandert und meine Quellen haben mich da auch nicht wirklich viel schlauer gemacht. Es gab damals wohl eine französische und eine österreichische Partei. Zschokke bezog Stellung für die französisch Seite, doch die österreichische gewann zunächst eine Volksabstimmung und eine Zeit lang sah es schlimm aus für Zschokke. Das Bürgerrecht wurde ihm entzogen, ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt und er musste fliehen.

1801 wendete sich das Blatt, Zschokke erhielt sein Bürgerrecht zurück und arbeitete in verschiedenen Ämtern für die Helvetische Regierung in Luzern. In dieser Zeit verkehrte er unter anderem mit Heinrich von Kleist.

1805 heiratete Zschokke Nanny Nüsperli, die Tochter eines Pfarrers. Das Ehepaar hatte eine Tochter und zwölf Söhne, von denen es drei zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht haben. Vier seiner Enkel haben das ebenfalls geschafft.

Zschokke arbeitet bis 1843 in verschiedenen Ämtern für die Helvetische Regierung.

Er forschte und publizierte zahlreiche Werke über die Geschichte Bayerns und der Schweiz und schrieb weiter Novellen und Erzählungen, die beim Publikum sehr beliebt waren. Tatsächlich war er zu seiner Zeit einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Wenn das Volk der Dichter und Denker genug hatte von Goethe und Schiller, las es – Zschokke!

Tja, das habe ich dann auch gemacht und herausgekommen sind als Hörbuch bei LibriVox:

Der tote Gast

In „Der tote Gast“ entwickelt sich vor dem Hintergrund einer halb vergessenen Gespenstergeschichte aus der Vergangenheit des Städtchens Herbesheim die zarte Liebesgeschichte zwischen der Fabrikantentochter Friederike und dem Oberleutnant Georg Waldrichs. Doch nicht nur die Fabel des toten Gastes überschattet ihre Liebe.

Die Walpurgisnacht

Robert *** ist in Geschäften in Prag, als ihm in einem Kaffeehaus ein Mann auffällt, dessen Physiognomie in allem sehr an den Teufel erinnert. Wenig später verliert er seine Brieftasche und der Finder ist kein anderer als der Teufel aus dem Kaffeehaus. Kaum zu Hause angekommen, macht der Teufel ihm einen Besuch, in der Walpurgisnacht, „wo die Hexen und Kobolde ihr Wesen treiben“ und von da an überschlagen sich die Ereignisse.

Als eBooks gibt es bei MobileRead:

Gesammelte Werke http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=183021 Vielen Dank, mmat1!
Die schwarzen Brüder http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=217668 Vielen Dank, brucewelch!

(und wie alles bei LibriVox, Legamus und MobileRead natürlich ganz kostenlos und ohne Anmeldung und ähnlichen Schnickschnack)

Quellen:
Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Zschokke
ADB (Allgemeine Deutsche Biographie) Bd.45 bei Wikisource http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Zschokke,_Heinrich (interessante Lektüre übrigens)

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2 Gedanken zu „Heinrich Zschokke 1771-1848

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